Wie Behinderte den Alltag meistern

Wohnprojekt: 32 Männer und acht Frauen haben in fünf Wohngruppen das neue Haus am Waldhof Ober-Ramstadt bezogen

OBER-RAMSTADT. Hexen und Geister aus Papier schweben bereits von der Decke. Einige Spinnweben ergänzen die Gruselatmosphäre. An der Bar wird es Glühwein und Bowle geben. Die Bewohner des Waldhofs stecken mitten in den letzten Vorbereitungen zu einer verspäteten Halloween-Fete. Sobald es dunkel ist, soll das Hausfest, zu dem Freunde und Verwandte eingeladen sind, beginnen.

Seit einem Monat sind alle Plätze in dem Wohnheim für Menschen mit Behinderung belegt. In fünf Wohngruppen leben 32 Männer und acht Frauen im Alter von 18 bis 59 Jahren. 33 von ihnen arbeiten wochentags in Behindertenwerkstätten in Nieder-Ramstadt und Darmstadt, zwei besuchen die Tagesförderstätte in Roßdorf.

Wer das noch nicht kann, beteiligt sich im Heim beim Einkaufen und bei der Vorbereitung des Essens, nimmt an einer Reittherapie teil, sitzt am Webstuhl, spielt Harfe oder Flöte. “Es ist wichtig, dass die Bewohner eine feste Tagesstruktur erleben. Das kann extern oder intern sein”, erklärt Klaus Jährling, der Geschäftsführer der gemeinnützigen Waldhof GmbH.

Künftig sollen zudem einige Arbeitsplätze auf dem benachbarten Reiterhof geschaffen werden. “Vor allem wollen wir, dass die Bewohner auch mit Nichtbehinderten zusammenkommen”, so Jährling.

“Wir lernen Ober-Ramstadt kennen” hieß ein Projekt, bei dem kleine Gruppen Geschäfte und die Stadtverwaltung erkundeten oder zum Eisessen gingen. Einige Heimbewohner nahmen inzwischen Volkshochschulangebote wahr, besuchten Gottesdienste oder auch Kurse einer Tanzschule in Darmstadt. Manche Wohngruppen fuhren bereits gemeinsam in Urlaub in den Schwarzwald und an den Bodensee, nach Tirol, Holland und Hamburg.

Seit September gibt es einen Heimbeirat, in dem jede Wohngemeinschaft vertreten ist. “Die Menschen sollen alle Aufgaben ihres Lebensalltags mit gestalten und an Eigenverantwortung herangeführt werden”, sagt Jährling. Wer beispielsweise im Büro seine Telefonrechnung selbst bezahlen müsse, lerne, dass Telefonieren Geld kostet.

32 Mitarbeiter sorgen für das Wohl der Heimbewohner: Sozialpädagogen, Heilerziehungspfleger, Krankenschwestern, Gruppenhelfer, Hauswirtschaftskräfte und ein Hausmeister. Als nächstes soll ein Sportraum im Haus eingerichtet werden. “Wir haben das Glück, dass hier viel Platz ist. Das Haus ist sehr großzügig gebaut”, sagt Jährling.

Die Stiftung “Kids Care” des Griesheimers Edmund Krix hatte 2001 den Waldhof in Ober-Ramstadt gekauft, wo sie seitdem einen Pferdepensionsbetrieb und ein reittherapeutisches Zentrum betreibt. Das Wohnheim war schon beim Kauf des Anwesens geplant und wurde ohne staatliche Zuschüsse für rund fünf Millionen Euro als Neubau errichtet. Vierzig Einzelzimmer mit Dusche und Toilette befinden sich in zwei Häusern, die mit den Nebengebäuden eine Hofreite bilden. Jeder Wohnbereich hat eine eigene Küche, Ess- und Wohnzimmer.

Im Frühjahr vergangenen Jahres wurde das Gebäude eingeweiht.

Elke Lipp
14.11.2007


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